In Erinnerung an meine Urgroßmutter
Anna Barbara Eck, geb. List (1839-1894)



In Pfaffenhofen an der Roth, bereits 1805 fiel die Markgrafschaft Pfaffenhofen an Bayern, erblickte am 01. September 1839, es war an einem Sonntag, ein Mädchen das Licht der Welt. Sie war das siebte Kind - und die dritte Tochter - ihrer Eltern.

Der Vater war in Stetten geboren, das liegt in der Nähe von Gunzenhausen. Er stammte aus einer Schullehrerfamilie und war eins von sieben Kindern. Der Beruf des Lehrers wurde von vielen der männlichen Familienmitgliedern seit 3 Generationen ausgeübt. Diese Arbeit brachte freilich auch des öfteren Versetzungen mit sich, und so war die Familie häufig gezwungen, ihren Wohnsitz zu verlegen. Seit 6 Jahren, war der Vater nun als Lehrer in Pfaffenhofen tätig.

Markt Erlbach (Neustadt/Aisch) war die Heimat der Mutter. Sie war die einzige Tochter des dortigen, und bereits verstorbenen Sattlermeisters und hatte noch einen Bruder. In Markt Erlbach selbst lernte sie ihren zukünftigen Ehegatten kennen, der einige Jahre später eine Lehrerstelle auf den Buchen in der Nähe von Markt Erlbach inne hatte.

Das kleine Mädchen nun - gerade 9 Tage alt, wurde am Mondtag, dem 9. September, auf den Namen Anna Barbara getauft und versprochen von Jungfrau Anna Barbara Reck aus Pfaffenhofen.

Schon ein Jahr später mußte die Familie nach Penzenhofen umziehen. Der Vater war natürlich aus beruflichen Gründen dorthin versetzt worden. Hier verstarb er Ende 1844, im Alter von nur 41 Jahren. Anna Barbara verlor ihren Vater also schon mit 5 Jahren. Die Mutter ging daraufhin mit ihren Kindern wieder in ihre Heimat zurück.

Die Spur von Anna Barbara verliert sich jetzt für 17 Jahre.




1861 treffen wir sie wieder, diesmal in Nürnberg.

Sie war bereits seit geraumer Zeit mit einem Mann zusammen, der als "Plerrer in seinem Wagen" bekannt und von Beruf Photograph war. Er selbst nannte sich Carl Friedrich Heinrich Eck. Eck war der Mädchenname seiner Mutter. Tatsächlich war sein richtiger Name Carl Maximilian Müller. Er war 6 Jahre jünger als Anna Barbara.

Obwohl beide schon drei Kinder hatten, welche in Nürnberg geboren wurden, heirateten sie erst am 26. Dezember 1864 in St. Leonhard.

Anna Barbara gab Ihre Arbeit als Näherin auf und reiste mit ihrem Mann - in dessen wandernden Photographiebude - von Messe zu Messe. Ständig unterwegs, verweilte sie nur kurzzeitig in Nürnberg. Das vierte Kind ist deshalb auch nicht in Nürnberg zur Welt gekommen, während die folgenden drei Kinder wiederum in Nürnberg geboren wurden.

Sie ließ ihre Kinder in Hl. Geist, St. Sebaldus und St. Leonhard taufen. Weitere drei Kinder kamen erneut auf ihren Reisen zur Welt. In Erlangen-Altstadt war es ein Junge, der 1873 geboren wurde. Anna Barbara kam mit ihrem elften Kind 1875 dann aber wieder in Nürnberg nieder.

Es ist anzunehmen, dass sie noch mindest einem Kind auf ihren Reisen das Leben schenkte.

Ein sehr bewegtes Leben scheint Anna Barbara bis dahin geführt zu haben.




Dann gab es einen Umbruch in Anna Barbaras Leben. Ihr Mann starb nämlich im April 1879 in Nürnberg, und wurde auf dem Friedhof von St. Leonhard bestattet.


 



Anna Barbara war jetzt fast 40 Jahre alt. Doch schon bald war sie wieder unterwegs, denn sie musste und/oder wollte Geld verdienen, für sich und ihre Kinder. So zog sie nun alleine im Wagen ihres verstorbenen Mannes von Messe zu Messe. Unermüdlich reiste sie umher, denn es ist bekannt, dass sie fortan nur noch zur Messzeit in Nürnberg weilte.

Zwei Jahre später - im April 1881 - brachte sie vermutlich ihr letztes Kind zur Welt. Meinen Urgroßvater Johann Kaspar. Anna Barbara lebte zu dieser Zeit in der Grasersgasse, die zwischen dem Frauentorgraben und dem Kornmarkt liegt. Einige Häuser weiter wohnte Johanna Anna Königsberger, welche bei der Entbindung dabei war und zwei Tage später vor dem Standesbeamten die Geburt anzeigte.

Schon wenige Monate später mußte Anna Barbara vor Gericht erscheinen. Sie weigerte sich aber nachdrücklich, den Namen des Kindsvaters zu nennen: Sie selbst sorge für den Unterhalt ihres Kindes, war ihre Aussage vor dem Richter.


Sie brachte Kaspar bei Pflegeeltern in Nürnberg unter und ging erneut auf Reisen.

Nun verliert sich ihre Spur abermals, diesmal für 13 Jahre.




Am 29. Oktober 1894 entschlief Anna Barbara im Alter von 55 Jahren: Wohnhaft in der Eberhardshofstr. 17, ganz in der Nähe vom "Plärrer". In den Kirchenbüchern von St. Leonhard starb sie als Anna Eck und wurde auf dem Westfriedhof beerdigt. Sie ist demnach auch keine weitere Ehe mehr eingegangen.

Ihr Sohn Kasper war gerade 13 Jahre alt, als seine Mutter für immer ging. Er trug den Namen List weiter und hatte ein noch sehr langes Leben vor sich.




Der Begriff "Plärrer" wird fälschlicher Weise oft mit Schreien verwechselt. Tatsächlich leitet sich Plärrer aber von Plerre/Plarre ab. Das Wort Plarre bezeichnet einen `freier Platz´. Auf diesem freien Platz wurden im 19. Jahrhundert Feste gefeiert und Händler boten ihre Waren feil. Über Volksbelustigungen aller Art, Wandermenagerien nebst Schaustellern, Märkten und Tierschauen war hier alles vertreten. Es war ein reges und buntes Treiben. Das ist allerdings längst Vergangenheit. Als wichtiger Vekehrsknotenpunkt jedoch hat der "Plärrer" damals wie heute an Bedeutung nicht verloren.


Die Abschriften/Auswertungen aus Tauf-, Heirats- und Sterberegister stammen aus dem Landeskirchlichen Archiv Nürnberg mit freundlicher Unterstützung durch Fr. A. Müller, Archivoberinspektorin. Das Protokoll des Königl. Bayer. Amtsgericht Nürnberg (AG Nürnberg, Pflegschaftsakten, Nr. 346/1881)ist ein Restakt aus dem Staatsarchiv Nürnberg.






4 Generationen später





Gleichstellung zwischen den Geschlechtern war zu jener Zeit reines Wunschdenken. Die Frau löste sich zwar langsam aus ihrer traditionellen Rolle, war aber gleichzeitig noch in ihr gefangen. Sie führte nun zwar den Titel Mutter und Gattin, doch sonst gab es für sie keine anderen eigenen Entwicklungsmöglichkeiten. Ihr blieb weiterhin nur Familie und Haushalt. Somit konnte sich der Mann ungestört seiner Karriere widmen.


Gerade deshalb war die Rolle meiner Urgroßmutter bemerkenswert. Sie war eine sehr starke und außergewöhnliche Frau. Auch nach dem Tode ihres Mannes zeigte sie eine große Selbstständigkeit - und diese so selbstverständlich, als wäre das die normalste Sache der Welt. Solche Frauen waren echte Kostbarkeiten.

 

 

 

 

 

 

 

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Josephine Kühner 60437 Frankfurt am Main